Donnerstag, 7. Juni 2012

Universal Böhmermann (bitte aussprechen wie den Sterne-Song)

Irgendwann war er überall. Böhmermann-Alarm auf allen Kanälen: Ob er Harald Schmidt das Internet erklärt, mit BFF Klaas (OHNE Joko) durch Stadthallen tourt, ein Buch über Deutschland schreibt oder im Radio mit Teenies über die Vor- und Nachteile von Bubble Tea diskutiert.  

 
Sein letztes Experiment ist die Talk-Versuchsanordnung „Roche & Böhmermann“.  Ein runder Tisch unter einem Lichtkegel, an dem die Teilnehmer aufgefordert sind, zu rauchen und Whisky zu trinken. Die eingeladenen Helden und Anti-Helden aus der deutschen TV-Landschaft werden in guter Manier des Kamikaze-Journalismus zielgerichtet auseinandergenommen. Und die beiden Hosts machen das sehr gut. Nur wird so bald keiner mehr kommen. Die schöne Collien (F.) hatte wohl in weiser Voraussicht abgesagt, nachdem sie den Piloten gesehen hatte. Der von Böhmermann liebevoll gedichtete Einspieler, so eine Art Anti-Teaser, wurde trotzdem ausgestrahlt.

Jan Böhmermann mit Uhr.                                                                                                               Quelle:stylecrave.de


Die Sendung verlangt den Gästen, dem Zuschauer, aber auch den Moderatoren so einiges ab. Ist aber auch nicht so ein „Bessere Welt“-Geseier wie es die dauerlispelnde, auf kecke Berliner-Schnauze gebuchte (und von Böhmermann verhasste) Sarah Kuttner abliefert. Denkwürdig der Moment, in dem Böhmermann in einer rezenten Ausstrahlung unter den entsetzten Blicken seiner Gäste eine Viagra einschmeißt. Just for the show. Es ist genau diese Rücksichtslosigkeit gegenüber sich selbst und den Anderen, stets gefolgt von einem Lächeln, das alle Schwiegermütterherzen dahinschmelzen lässt, die Böhmermann ausmacht. Unvergleichlich sein ‚persönliches Gespräch‘ mit Sahra Wagenknecht in der „Harald Schmidt Show“, der ihn als jungen Sidekick engagiert hatte. In genialer John Oliver-Manier (Wer den nicht kennt, bitte googlen. Wer kein Englisch kann, Pech gehabt.) entgleist das Pseudo-Interview in eine peinliche Anmache, die immer wieder von Tagtraum-Einspielern Böhmermanns unterbrochen wird.
Böhmermann war wahrscheinlich immer der schlagfertige Junge in der Klasse, vor dessen zynischen Bemerkungen alle Angst hatten. Besonders die Mädchen.
Und die schont er auch heute kein bisschen. Der in die Jahre gekommenen Vormittagstalkshow-Fee Britt Hagedorn wirft gleich in der ersten Show „gnadenloses Vorführen von adipösen Assis und Menschen am Rande der geistigen Behinderung“ im Dienste der Quote vor. Die reagiert leicht angepiekst. Es wird also zurückgespult und die verfänglichen Kommentare durch Lanz-Sanskrit ersetzt. Von Nebendarsteller Sido am Ende als geisteskrank bezeichnet zu werden, dazu gehört schon was! So macht Fernsehen Spaß!
Im Moment ist viel die Rede von der „neuen Fernsehgarde“, den „jungen Wilden“, die entweder aus den Viva-/MTV-Krippen (Roche, Klaas, Kuttner) oder den geisteswissenschaftlichen Fakultäten der Republik (Stuckrad-Barre, Bauerfeind) zu stammen scheinen.
Jan Böhmermann ist irgendwie dazwischen. Er hat bei der Lokalzeitung angefangen, dann beim Radio und später beim Fernsehen gearbeitet und die Dinge gemacht, die er auch heute noch macht. Comedy mit journalistischen Ansätzen.
Er ist auch der Einzige, der noch keinen fetten Werbevertrag (Sparkasse, haaallloo!!) abgegriffen oder einen Stammplatz auf den Bestseller-Listen hat.
Mich beruhigt es, zu sehen, dass so jemand wie Jan Böhmermann im deutschen Fernsehen stattfinden darf und ich hoffe, dass er noch länger das macht, was er eigentlich schon immer gemacht hat. Auf allen Kanälen.