Montag, 3. Juni 2013

Wie Eines Teil einer Umstrukturierung wurde*

Viele reden derzeit von 80-Stunden Wochen, Burn Out, zu wenig Work-Life-Balance. Nicht ich. Ich arbeite in einer Abteilung im Abbau. Beziehungsweise einer Abteilung, die schon abgebaut ist, nur die Menschen sind noch da.

Als ich hier vor etwa zwei Jahren anfing, glaubte ich wirklich, das Paradies auf Erden gefunden zu haben. Nach einer traumatisierenden Agentur-Erfahrung - Kernarbeitszeit von neun bis sechs, komische Psychotaktiken und Hungerlohn - fand ich ein Team voller in sich ruhender, zufriedener Kollegen vor. Jeder hatte seinen Aufgabenbereich, es gab keine Revierkämpfe, geregelte Arbeitszeiten und nicht zuletzt ein gutes Gehalt. Die meisten meiner Kollegen waren schon länger als zehn Jahre im Unternehmen. Manche hatten gar ihr ganzes Berufsleben darin verbracht.

Komische, heile Arbeitswelt

Da gibt es einen Redakteur, der tagelang pseudo-philosophische Texte für "sein" Magazin in die Tastatur hackt. Meistens zitiert er Antoine Saint-Exupéry.
Einen Bürokraten, der Laufwerke verwaltetet und die meiste Zeit damit verbringt, zu telefonieren. Mit wem, das weiß keiner so genau.
Und zwei Halbtagsmütter, die zusammen einen wöchentlichen Newsletter erstellen.
Darüber thront wie eine wohlwollende Henne: die Chefin. Schnell, direkt und menschlich.
Auf dem Weg zu meinem Büro kam ich stets an einer halb geöffneten Tür vorbei, hinter der ein Mann mittleren Alters auf seinen Start-Bildschirm starrte. Am Ende des Ganges gab es den ehemaligen Marketing-Chef, den man nie ohne Fahne antraf und zu dem man ging, wenn ein Flaschenöffner gebraucht wurde. Alles gut soweit.

Bis die Berater kamen...

Bis die Berater kamen und ihren Augen nicht trauten, ob der vielen Mitarbeiterkapazitäten (MAKs) und des geringen Outputs. Sie setzten ein Programm mit schnittigem Namen auf, das der Vorstand jetzt durch die Betriebsräte kämpft.

Daraufhin wurde das Tippen weniger. Der nervöse Husten häufiger. Aus drei Magazinen wurde eins und bald der Umzug in die Zentrale angeordnet. 400 Kilometer, viereinhalb Stunden mit dem Auto, eine Strecke.

Keine Alternative für Menschen, die hier ein Haus gebaut, Kinder bekommen und einen Baum gepflanzt haben. Das ist natürlich gewollt. Für ein Magazin braucht man nicht drei Mitarbeiter, vielleicht nicht mal einen.


Change: Manche schaffen es ins nächste Glas, manche springen daneben. In der Luft hängen alle.

Also gilt es täglich, den Kloß im Hals wegzuschlucken und weiter zu machen. Was auch immer. Und sei es, ein Blog zu schreiben. Gegen den Stillstand, gegen die Angst.

Irgendwann kann man keine Stellen mehr googlen. Irgendwann kann man auch die Gespräche nicht mehr hören, ob der Sinnlosigkeit und Willkür der Maßnahmen. Es gibt inzwischen Kollegen, deren Berufsbild es zu sein scheint, dem Unternehmen möglichst viel Geld aus den Rippen zu leiern. Vielleicht kompensieren sie so das Gefühl, um etwas betrogen worden zu sein. Worte wie Sprinterprämie, Abfindung, Vorruhestand gehören plötzlich zum täglichen Wortgebrauch.

Da es so lange dauert, das Wegrationalisiert-Werden, erstarrt man eben einfach. Eine Frist verlängert die andere. Man schleppt sich auf Veranstaltungen mit rhetorisch wechselnd begabten Bertriebsräten, die anfangs noch kämpferisch wirken und irgendwann nur noch resigniert mit den Schultern zucken.

In der Zwischenzeit sitzt man da. Arbeiten kann hier kaum noch jemand. Existenzangst, Wut und energisch unterdrückte Hoffnung liegen in der Luft. Ein Ende ist noch nicht in Sicht. Man sitzt still.

*Titel als anerkennendes Nicken an Sybille Berg