Dienstag, 15. April 2014

City Strolls: I heart Bristol

Es ist schon mal eine gute Voraussetzung dafür, eine Stadt zu erkunden, mittendrin zu wohnen: am Stadthafen, gegenüber vom Watershed, einem Kino und Kulturzentrum mit gemütlichen Cafés und hippen Restaurants.

Das No.1 Harbourside bietet bodenständige Küche in entspannter Atmosphäre - hier sitzen Studenten neben alten Damen, die die reichhaltigen Torten und Cupcakes von "La Dame Gateau" genießen. Gleich nebenan gibt im The Stable, das nicht nur im Namen, sondern auch in der Einrichtung sehr reduziert daher kommt, hausgemachte Pizza und regionalen Cider.


The Watershed.
Die Hauptschlagader der Stadt: Park Street.

Die Entdeckung der Park Street beginnt man am besten beim Viadukt, das über die Frogmore Street führt. Hier fällt der Blick direkt auf einen echten Banksy. Der bekannteste Incognito-Künstler ist ein Sohn der Stadt und hat in Bristol mehrere Spuren hinterlassen.


Von hier aus geht es steil bergauf: vorbei an schäbigen Second-Hand Stores und Hippie-Läden mit knalligen T-Shirts in den Auslagen. Aber es gibt auch traditionsreiche Läden wie The Bristol Guild: auf den ersten Blick ein Einrichtungsladen, entpuppt es sich als Fundgrube für regionale Keramik-Kunst mit eigenem Café und Food-Label. Hier findet man so ziemlich alles: von der Duftkerze über Designertaschen bis hin zur Sofa-Garnitur.

Der steile Aufstieg zur Park Street.

Weiter geht's bis der Will's Memorials Tower der Universität auftaucht. An der Kreuzung gibt es neben der berühmten Photo-Opp auch eine Menge Bäcker, Delis und Imbisse für hungrige Studenten. Gestärkt begebe ich mich wieder hinunter, nicht ohne einen Abstecher zu den Georgian Houses und in den Store von Kitsch-Königin Cath Kidston zu machen.
Georgian Houses in der Great Goerge Street.

Mittwoch, 9. April 2014

Die klaffende Wunde namens Familie oder Warum Manche von uns kaputter sind als Andere

Es gibt selten Filme, in denen die Grausamkeit von Müttern thematisiert wird. In "August: Osage County" geht es um nichts anderes. Wie ein fauler Apfel, der mit seinem Dämpfen den ganzen Korb verdirbt, verströmt Violet Weston (Meryl Streep) von der ersten Einstellung an ihr gefährliches Gift.

Die Mutter als dunkles Epizentrum der Familie.

Der resignierte Ehemann (Sam Shepard) flüchtet sich in seine Bücher und plant bereits seinen Suizid. Violet, dunkles Epizentrum der Handlung, mit mehr oder weniger terminaler Krebsdiagnose und schwerer Tablettensucht, taumelt wie ein kahler Geist durchs Bild.
Optisch ein Mischung aus Joan Crawford und den betagten Damen aus "Grey Gardens" verströmt sie eine Art morbiden Sex-Appeal.

Das spurlose Verschwinden des Vaters ruft die drei Töchter auf den Plan. Die stoßen auf ein Minenfeld, das ihre Kindheit war. Alle drei sind inzwischen auf ihre Art gescheitert und stehen vor den Trümmern ihres Lebens.
Die Vernünftige (Julia Roberts), deren Ehe gerade zerbricht, die Naive (Juliette Lewis), die immer an die falschen Männer gerät und die graue Maus (Julianne Nicholson), die an keinen Mann gerät.
Alle drei haben eine Verletztheit im Blick, deren Grundlage die Mutter in ihnen gelegt hat. Eine klaffende Wunde, die sich ein ganzes Leben lang nicht schließen wird.
Nun liegt diese Mutter vor ihnen, zuckend, wie ein Tier im Todeskampf noch bittere 'Wahrheiten' ausspuckend. Und braucht ihre Hilfe.

Diesen Zwiespalt zwischen dem Impuls, sofort wegzurennen und den Schuldgefühlen, hat jede der Schwestern auf ihre Art gelöst. Zwei sind weit weggezogen und haben ein neues Leben versucht. Eine blieb, verschloss sich aber für immer, um sich nicht dem harschen Urteil der Mutter auszusetzen.

Ein wackeliges Setting für ein Familientreffen, das dann auch bald eskaliert. Bei dem Essen nach der Trauerfeier, das bestimmt in die Lehrbücher eingehen wird, kommt es zum Eklat. Nachdem Violet im Sinne der 'Wahrheit' alle Anwesenden aufs Schlimmste beleidigt und beschimpft hat (was einer gewissen Komik nicht entbehrt), geht ihre Tochter auf sie los. Es ist wie ein Kampf zweier Raubtiere, aus dem die Tochter siegreich mit den Worten 'Jetzt hab ich hier das Sagen' hervorgeht.

Die Schlüsselszene ist für mich aber eine andere. Eines Nachts sitzt Violet allein auf der Veranda und hört, wie ihre Töchter sich gegenseitig die Verantwortung für die Mutter zuschieben. Wie alle drei sich weigern, bei ihr zu bleiben. Wie sie sich Dinge gestehen, die sie vor ihr nie eingestehen würden. Die andere Wahrheit. Da erzählt ihnen Violet ganz naiv und rührend eine Geschichte aus ihrer Kindheit. Und kurz wird es sichtbar, das Gespenst, das diesen Film bestimmt.

Dieser Film ist nicht schön, es macht keinen Spaß ihn zu sehen und dennoch finde ich ihn wichtig. Denn es gibt Menschen mit einem Schmerz, der niemals aufhört, so sehr sie ihn betäuben, so weit sie vor ihm weglaufen. Der sie unfähig macht, glücklich zu sein und gesunde Beziehungen zu führen. Der weitergegeben wird, von Generation zu Generation. Vielleicht hilft es aber, sich darüber klar zu werden. Dafür ist dieser Film gut.

Am Ende verlassen alle drei Frauen ihr Elternhaus verletzter und gebrochener als vorher. Die Mutter bleibt allein zurück. Vielleicht ist das die Lehre.