Sonntag, 14. April 2013

Frühling oder Muss das sein?

Gegen den Frühling an sich habe ich nichts: dass es wärmer wird, die Vögel lustig zwitschern und die Sonne scheint. Ich habe nur etwas dagegen, was es aus den Menschen macht, die der vermehrten Vitamin D-, Melatonin- und Hormon-Ausschüttung anscheinend nicht gewachsen sind.

Als jemand, der sich in diesem langen Winter sehr gut an die dunkle Jahreszeit angepasst hat und es nun mag, bereits um 18 Uhr mit einer Wärmflasche, einem guten Buch oder der neuen Lieblingsserie unter der Bettdecke zu verschwinden, irritieren mich Menschen, die jetzt plötzlich Bonbonfarben anziehen und voller Tatendrang durch den Stadtpark hecheln.

Zumeist in Pärchenformation, bleiben sie an jeder kaum blühenden Pflanze stehen, um sie entweder abzureißen oder "Oh, ist das schöööön" zu seufzen. Der vermehrte Hormonausstoß ist besonders auffällig an den Heranwachsenden, die plötzlich anfangen, sich auf offener Straße zu befingern. Kaum ist die erste "Bravo" ausgelesen, ist die Zunge auch schon im Hals. Sowas möchte ich nicht sehen.
Schlimmer noch ist die unfreiwillige Fleischbeschau. Egal, wie unansehlich Körperteile sind. Mit steigender Temperatur werden sie zuverlässig den Blicken der (unschuldigen) Passanten ausgesetzt. Weiße Cellulite-Dellen kämpfen dann mit krampfgeäderten Beinen um unsere Aufmerksamkeit. Speckrollen aller Art werden in Bonbon-Papier (s.o.) eingepackt.

Womit wir bei der Damenmode wären... Die lässt ja in diesem Frühjahr auch nicht gerade hoffen. Hautenge, großflächig bedruckte Leggings und fast durchsichtige Tops, die nur von circa zwei Prozent der Bevölkerung mit Würde getragen werden können, lassen ahnen, wie oft man lieber den Blick abwendet. Aus Höflichkeit, oder Fremdscham.
Ich mag es, wenn Menschenkörper jeglichen Alters in dicken Jacken versteckt und Beine von Hosen bedeckt sind. Ich mag es auch selbst nicht, meine Haut zu Markte zu tragen. Der ganze Aufwand, den man betreiben muss, um unter dem Radar der Akzeptabilität durchzutauchen. Maniküre, Pediküre, Waxing, Bauch-Beine-Po drei Mal die Woche, nachts die Beine am besten in Cellophan-Hülle und die 60 €-Thermocreme einwickeln.

Und ich sehe sie, die Frauen, die tatsächlich dieses Programm durchziehen. Sie haben schon im Winter damit angefangen, mich im ersten Licht des Frühlings schlecht aussehen zu lassen.
Ich sehe sie Sonntagvormittag, -nachmittag-, abend durch den Park hecheln, während ich vom Kuchenessen komme. Ich sehe sie bei Wind und Wetter auf dem Fahrrad, ich lese ihre Frühjahrmode-Blogs und verfolge ihre Detox-Saftkuren auf Instagram.

Ich möchte am liebsten auf diesen ganzen Zirkus verzichten, die Decke über den Kopf ziehen und in einem Buch versinken. Lange wird mir das nicht mehr gelingen. Den Friseurtermin nächste Woche habe ich schon. Ich hoffe nur, es wird nicht warm, bevor ich eine akzeptable Frühjahrshose gefunden habe.

Donnerstag, 11. April 2013

"Der Schaum der Tage" oder Reasons to go to Paris No.2

»... die Beweiskraft der folgenden Seiten beruht auf der Tatsache, daß die Geschichte vollkommen wahr ist, weil ich sie von Anfang bis Ende erfunden habe.«
Boris Vian "Der Schaum der Tage", Vorwort 

Am 24. April startet in französischen und belgischen Kinos der neue Gondry, "Der Schaum der Tage" (L'écume des jours), eine Adaption des surrealen Romans von Boris Vian.
Gelegenheit, ein Auge auf die Gemeinsamkeiten von Autor und Regisseur zu werfen. Beide besitzen die Fähigkeit, im Alltag absurde Universen zu kreieren.

Zunächst zu Vian: Der Sohn aus besserer Gesellschaft versuchte sich in mehreren Genres: als Jazz-Trompeter, Schauspieler, Poet und eben als Romancier. Er war Zeitgenosse von Persönlichkeiten wie Jean-Paul Sartre (der ihm die Frau wegnahm) und Duke Ellington (dem er zu Gigs in Paris verhalf). Zu Lebzeiten angefeindet und als Spinner belächelt, wurde sein Werk "Der Schaum der Tage" (1947, Gallimard) erst in den 68ern und somit nach seinem frühen Tod 1959 zum Kultbuch.

Boris Vian
Verstört von der Erfahrung des Krieges und jeglicher Glaubenssysteme beraubt, schrieb Vian 1946 die tragisch-absurde Liebesgeschichte zwischen Colin und Chloe. Das Buch ist voller surrealer Elemente, neuer Wortschöpfungen und Anspielungen. So karikiert er beispielsweise den Existenzialisten Jean-Paul Sartre, indem er aus ihm den existenzialistischen Demagogen Jean-Sol Partre macht. Vian beschreibt die Dinge nicht so wie sie sind, sondern wie er sie gern hätte. Er erfindet er eine Welt, in der Träume Realität sind.



Die Grenze zwischen Traum und Realität überschreitet auch Vians Landsmann Michel Gondry in seinen Spielfilmen sehr gern. Zu beobachten ist das beispielsweise in seiner selbstgedrehten Video-Biographie mit dem programmatischen Titel "I've been twelve forever". In Gondrys Leben sind die Träume seiner Kindheit so präsent, als wären sie gerade erst passiert. Sie sind die Inspiration für seine Musikvideos und auch seine Filme. Hatte Gondry als Jugendlicher Albträume, dass seine Hände zu groß seien, so findet sich Gael Garcia Bernal in "The Science of Sleep" mit überdimensionierten Papp-Händen wieder.

The Science of Sleep, Michel Gondry (2006)

Auch im "Schaum der Tage" kann er diese Ader wieder voll ausleben.
Wenn die Romanorlage schon eine Protagonistin bietet, in deren Lunge eine Seerose wächst, dürfen wir gespannt sein, was Gondry daraus gemacht hat. Der Trailer zumindest ist vielversprechend.



Gondry greift den Jazz auf, den Vian so liebte: Duke Ellington darf im Soundtrack daher natürlich nicht fehlen. Die Frischvermählten schweben schwerelos vom Altar zu ihrer komplett verglasten Hochzeitskutsche. Nicht nur die Gesetze der Schwerkraft sind außer Kraft gesetzt. Auch die von Raum und Zeit scheinen bunt durcheinander gewürfelt zu sein. Die von Vian geschaffene Welt bietet die perfekte Spielwiese für einen Träumer wie Gondry.

Leider müssen wir in Deutschland bis zum 4.August auf den Kinostart warten... oder gleich nach Paris fahren.

Mittwoch, 10. April 2013

Reasons to go to Paris - No.1

Heute startet in der Cinemathèque francaise eine Ausstellung zum Lebenswerk von Jacques Demy, dem wir Klassiker wie "Parapluies de Cherbourg" und "Les Demoiselles de Rochefort" verdanken.
Die bonbonfarbenen Musicalromanzen mit der wunderschönen Cathérine Deneuve in der Hauptrolle haben einen festen Platz im französischen Filmgedächtnis.

Die Tageszeitung "Libération" widmet der Ausstellung in ihrer heutigen Ausgabe ein Special.

Am Eröffnungswochenende wird als Hommage an den Film "Les demoiselles de Rochefort" ein Tanz-Flashmob vor dem Pariser Rathaus organisiert.
Die Anleitung gibt es hier.

Cathérine Deneuve mit ihrer Schwester Françoise Dorléac und Jacques Demy bei den Dreharbeiten




















Dieser Film war der letzte wirkliche Erfolg für Demy und gleichzeitig der letzte Film, in dem Cathérine Deneuve mit ihrer Schwester Françoise Dorléac zusammen spielte. Diese verünglückte noch im selben Jahr tödlich. Ein Schicksalsschlag, über den Deneuve zwanzig Jahre lang nicht geredet hat.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 04.August 2013.