Dienstag, 14. Juli 2015

Radio Love - Kurze Liebeserklärung an das Autorenradio*


Schon in frühester Jugend lernte ich die tröstende Wirkung von Autorenradio in Form von Jürgen Kuttners "Sprechfunk" kennen.
Klar, ich war in der Pubertät und fühlte mich ein bisschen orientierungslos, ein bisschen allein und ein bisschen überfordert.


Jürgen Kuttner oder der Mann,
der meine Pubertät erträglich machte.

Doch jeden Dienstagabend, wenn ich Kuttners Stimme über Gott und die Welt berlinern hörte, war diese gleich ein kleines bisschen besser. Irgendwann nahm ich jede Sendung auf Kassette auf und hörte sie immer wieder. Sie waren meine Zuflucht auf langen Urlaubsfahrten mit meinen Eltern, gaben mir Orientierung und ein Gefühl von Verbundenheit. Die Stimme im Radio war so, wie mein Leben sein sollte. Unkonventionell, locker und irgendwie frei. Ohne Kuttner hätte ich nie mit sechzehn P.J. Harvey und Les Reines Prochaines gehört, oder Gustav Mahler.

Radio tötet Einsamkeit, so einfach ist das.

Ich finde, es gibt fast nichts Intimeres als wenn einem jemand direkt ins Ohr spricht. Auch wenn dieser Jemand nicht neben einem sitzt, sondern die Stimme über Radiowellen übertragen wird. Dieser Fakt wird nicht nur von hysterisch-kreischenden Morning-Moderatoren ignoriert, sondern auch von uns.

Denn die Autoren sind dem Radio abhanden gekommen. An die Stelle von Persönlichkeiten sind Automaten getreten, die in immer schnellerer Rotation die immer gleichere Musik abspielen. Nur unterbrochen von Werbeblöcken.

Doch es gibt sie noch, die Inseln des guten Geschmacks, der ruhigen Stimmen, der Musik, die man noch nie gehört hat. Ich nenne sie mal Orchideensendungen, die man in den Tiefen des Internets oder manchmal auch im öffentlich-rechtlichen Bereich findet. Meistens spät nachts, in den dritten Programmen.

Wo Radiomacher sich ihrer Verbindung zum Hörer, ja ihrer Verantwortung bewusst sind. Und das ist auch gut so. Denn Radio hören macht weniger alleine.

*angelehnt an Autorenfilme im Gegensatz zu Blockbustern

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen