"Komm doch einfach mal mit!" hatte C. gesagt "und schau Dir das an". "Die sind alle ganz lieb und dankbar", hatte mir ein paar Bilder auf dem Smartphone gezeigt von dunkelhaarigen Kindern auf selbst angelegten Blumenbeeten ("alle haben mitgeholfen"), von ihrem Tandempartner ("ein ganz angenehmer Mensch und Humor hat er auch") und ich hatte anerkennend genickt und schließlich zugestimmt.
Und so stand ich an einem nebligen Novembertag an einer Autobahnabfahrt am Ende der Stadt und folgte den Frauen mit Kopftüchern und jungen Männern in dicken Parkas und engen Hosen.
Da standen sie also, die Container, die ich aus den Berichten vom Lokalfernsehen kannte, als hier noch 3.000 Menschen lebten anstelle der 700, es kalt war und regnete und viele Menschen in Zelten untergebracht waren.
Damals war ich nicht hier gewesen. Hatte nicht geholfen, wie auch. Hatte die Szenen von meinem Wohnzimmer aus gesehen, vielleicht mit dem Kopf geschüttelt und dann den Fernseher ausgemacht.
Nun war ich hier. C., eine langjährige Freiwillige erwartete mich am Tor, ein aufmunterndes Lächeln auf den Lippen. Wir gingen an den ersten Containern vorbei. "Eigentlich war das hier für drei Monate gedacht - jetzt sind es schon drei Jahre." sagte sie und ich fragte "Warum" und sie sagte "Es ist alles kompliziert".
Unser Ziel war der Spielplatz. Trotz der niedrigen Temperaturen waren da viele Kinder. Freudig kamen sie auf C. zugerannt, riefen ihren Namen. C. lud sie ein zu Basteln und Ukulele spielen.
Die Kinder aßen die Blüten der Kapuzinerkresse, als C. meinte, die könne man essen. Auch C. biss beherzt in eine Blüte. Ich lehnte dankend ab. Ein Junge trat gegen einen Roller. Immer und immer wieder.
Dann kam auch schon M. in einem Mini-Cooper auf den Hof gefahren, auch sie eskortiert von lachenden Kindern. Ein Junge schoss mit der Wasserpistole auf sie. Immer und immer wieder. Zur Begrüßung.
M. ist Gestaltungstherapeutin und macht den dreistündigen Kinderkurs zusammen mit C., die auf der Ukulele dazu spielt. Wir gehen also in den Raum im letzten Containerblock. "Oh, heute ist es warm" freut sich C. und die Kinder postieren sich um den Basteltisch.
Kurz darauf geht es los. Die Kinder sollen Dinge malen und ausschneiden, die sie kaufen möchten. Diese werden dann in Behälter aus Papier geworfen. Das kleine Mädchen neben mir malt nur Karotten. Ein Junge zeigt mir, wie ich den Behälter bastele.
C. hat sich in der Ecke platziert und beginnt, auf der Ukulele zu spielen. Ich nicke ihr aufmunternd und mit dem Gesichtsausdruck "Ist doch nicht so schlimm" zu und bleibe lieber beim Basteln.
M. sagt vor allem Sätze wie: "Das heißt nicht 'Gib!', sondern 'Ich möchte bitte die Schere haben'". Den Rest der Zeit ist sie damit beschäftigt, ihren Schrank mit der Material-Kiste zu verteidigen ("Murat, ich hab dir gesagt, das ist mein Schrank") und selbstgebackenes Brot zu verteilen.
Als die Kinder das Brot verschmähen, sagt M.: "Dann ist es für die Tiere." C. merkt an, dass es selbst für Waldtiere zu salzig sei und sie das nicht dürfe.
Die Ukulele spielt unermüdlich weiter. Auf "Bruder Jakob" folgt ein Lied von einem Kloß folgen noch mehr Lieder. Alle Kinder singen mit. Ein paar haben sich Mini-Ukulelen geschnappt und begleiten. Es ist gar nicht so schlecht.
Plötzlich werden die Kinder nervös und reden arabisch miteinander. "Jalla, wir müssen los" sagt ein Junge. Alle haben laminierte Tickets dabei, auf denen 'Donnerstag, 16 Uhr' steht. Es ist noch keine halbe Stunde Kurs, da müssen die Kinder schon gehen. Zum Ausflug. "Das kann passieren" lacht C. "hier kann man nichts planen. Letztes Mal hatten wir dreißig Kinder hier".
Jetzt sind jedenfalls alle weg. Die Ukulele spielt weiter. "Komm wir gehen auf den Hof und schauen, ob wir noch Kinder finden" ruft C. mir motivert zu und schwingt sich schon in ihre Steppjacke.
Mit der Ukulele im Anschlag gehen wir zwischen den Containern zurück zum Spielplatz. Eine Mutter mit Kinderwagen kommt uns entgegen und wirft C. ein grinsendes "Schön" zu. "Das Instrument kommt hier gut an" sagt C. zu mir.
Schon sehen wir die ersten "Kinder", die eher Mädchen kurz vor der Pubertät sind. Sie sind nicht sehr begeistert von der Idee, eine Runde zu basteln und Ukulele zu spielen. Stattdessen schauen sie die blonde Frau mit dem kleinen Instrument skeptisch an."Dann nächste Woche Donnerstag" gibt C. vor und zählt laut die Tage "Freiiiitag - Saaaaaamstag - Sonnnnntag" und so weiter. "Jaja, next week" sagen die Mädchen und drehen sich weg.
"Ist ja gar nicht so einfach" gebe ich zu bedenken als wir weitergehen. "Nein" sagt C. und stapft forsch weiter. "Komm, ich stell Dich unserer Koordinatorin vor". "Don't give up" steht auf Englisch und Arabisch auf einem Schild an ihrem Fenster. C. klopft energisch dagegen und stellt mich einer verschmitzt lächelnden jungen Frau vor, die frisch von der Uni zu sein scheint.
"Ja klar, man kann hier viel machen. Wenn man keine vorbetonierten Vorstellungen hat, wie die Dinge ablaufen sollen." gibt sie zu bedenken. "Hier kann sich nicht jeder einfach selbst ausleben."
Ich blicke seitlich auf C. mit ihrer Ukulele, nicke freundlich und verspreche mich zu melden.