Freitag, 10. November 2017

"Hier kann sich nicht jeder einfach ausleben." - Freiwilligenarbeit im Flüchtlingsheim


"Komm doch einfach mal mit!" hatte C. gesagt "und schau Dir das an". "Die sind alle ganz lieb und dankbar", hatte mir ein paar Bilder auf dem Smartphone gezeigt von dunkelhaarigen Kindern auf selbst angelegten Blumenbeeten ("alle haben mitgeholfen"), von ihrem Tandempartner ("ein ganz angenehmer Mensch und Humor hat er auch") und ich hatte anerkennend genickt und schließlich zugestimmt.

Und so stand ich an einem nebligen Novembertag an einer Autobahnabfahrt am Ende der Stadt und folgte den Frauen mit Kopftüchern und jungen Männern in dicken Parkas und engen Hosen.
Da standen sie also, die Container, die ich aus den Berichten vom Lokalfernsehen kannte, als hier noch 3.000 Menschen lebten anstelle der 700, es kalt war und regnete und viele Menschen in Zelten untergebracht waren.

Damals war ich nicht hier gewesen. Hatte nicht geholfen, wie auch.  Hatte die Szenen von meinem Wohnzimmer aus gesehen, vielleicht mit dem Kopf geschüttelt und dann den Fernseher ausgemacht.


Nun war ich hier. C., eine langjährige Freiwillige erwartete mich am Tor, ein aufmunterndes Lächeln auf den Lippen. Wir gingen an den ersten Containern vorbei. "Eigentlich war das hier für drei Monate gedacht - jetzt sind es schon drei Jahre." sagte sie und ich fragte "Warum" und sie sagte "Es ist alles kompliziert".

Unser Ziel war der Spielplatz. Trotz der niedrigen Temperaturen waren da viele Kinder. Freudig kamen sie auf C. zugerannt, riefen ihren Namen. C. lud sie ein zu Basteln und Ukulele spielen.

Die Kinder aßen die Blüten der Kapuzinerkresse, als C. meinte, die könne man essen. Auch C. biss beherzt in eine Blüte. Ich lehnte dankend ab. Ein Junge trat gegen einen Roller. Immer und immer wieder.

Dann kam auch schon M. in einem Mini-Cooper auf den Hof gefahren, auch sie eskortiert von lachenden Kindern. Ein Junge schoss mit der Wasserpistole auf sie. Immer und immer wieder. Zur Begrüßung.

M. ist Gestaltungstherapeutin und macht den dreistündigen Kinderkurs zusammen mit C., die auf der Ukulele dazu spielt. Wir gehen also in den Raum im letzten Containerblock. "Oh, heute ist es warm" freut sich C. und die Kinder postieren sich um den Basteltisch.

Kurz darauf geht es los. Die Kinder sollen Dinge malen und ausschneiden, die sie kaufen möchten. Diese werden dann in Behälter aus Papier geworfen. Das kleine Mädchen neben mir malt nur Karotten. Ein Junge zeigt mir, wie ich den Behälter bastele. 

C. hat sich in der Ecke platziert und beginnt, auf der Ukulele zu spielen. Ich nicke ihr aufmunternd und mit dem Gesichtsausdruck "Ist doch nicht so schlimm" zu und bleibe lieber beim Basteln.

Das Mädchen neben mir sagt, dass sie heute Geburtstag habe und bald in die Schule komme. Als M. das hört, malt sie einen Blumenstrauß und schreibt den Namen des Mädchens dazu. "Eila" lese ich laut vor---Nein "Aila" meint das Mädchen, achso ja, Namen schriebe sie immer falsch sagt M. und schaut mich durchdringend an.

M. sagt vor allem Sätze wie: "Das heißt nicht 'Gib!', sondern 'Ich möchte bitte die Schere haben'". Den Rest der Zeit ist sie damit beschäftigt, ihren Schrank mit der Material-Kiste zu verteidigen ("Murat, ich hab dir gesagt, das ist mein Schrank") und selbstgebackenes Brot zu verteilen.

Als die Kinder das Brot verschmähen, sagt M.: "Dann ist es für die Tiere." C. merkt an, dass es selbst für Waldtiere zu salzig sei und sie das nicht dürfe.

Die Ukulele spielt unermüdlich weiter. Auf "Bruder Jakob" folgt ein Lied von einem Kloß folgen noch mehr Lieder. Alle Kinder singen mit. Ein paar haben sich Mini-Ukulelen geschnappt und begleiten. Es ist gar nicht so schlecht.

Plötzlich werden die Kinder nervös und reden arabisch miteinander. "Jalla, wir müssen los" sagt ein Junge. Alle haben laminierte Tickets dabei, auf denen 'Donnerstag, 16 Uhr' steht. Es ist noch keine halbe Stunde Kurs, da müssen die Kinder schon gehen. Zum Ausflug. "Das kann passieren" lacht C. "hier kann man nichts planen. Letztes Mal hatten wir dreißig Kinder hier".

Jetzt sind jedenfalls alle weg. Die Ukulele spielt weiter. "Komm wir gehen auf den Hof und schauen, ob wir noch Kinder finden" ruft C. mir motivert zu und schwingt sich schon in ihre Steppjacke. 

Mit der Ukulele im Anschlag gehen wir zwischen den Containern zurück zum Spielplatz. Eine Mutter mit Kinderwagen kommt uns entgegen und wirft C. ein grinsendes "Schön" zu. "Das Instrument kommt hier gut an" sagt C. zu mir. 

Schon sehen wir die ersten "Kinder", die eher Mädchen kurz vor der Pubertät sind. Sie sind nicht sehr begeistert von der Idee, eine Runde zu basteln und Ukulele zu spielen. Stattdessen schauen sie die blonde Frau mit dem kleinen Instrument skeptisch an."Dann nächste Woche Donnerstag" gibt C. vor und zählt laut die Tage "Freiiiitag - Saaaaaamstag - Sonnnnntag" und so weiter. "Jaja, next week" sagen die Mädchen und drehen sich weg.

"Ist ja gar nicht so einfach" gebe ich zu bedenken als wir weitergehen. "Nein" sagt C. und stapft forsch weiter. "Komm, ich stell Dich unserer Koordinatorin vor".  "Don't give up" steht auf Englisch und Arabisch auf einem Schild an ihrem Fenster. C. klopft energisch dagegen und stellt mich einer verschmitzt lächelnden jungen Frau vor, die frisch von der Uni zu sein scheint.

"Ja klar, man kann hier viel machen. Wenn man keine vorbetonierten Vorstellungen hat, wie die Dinge ablaufen sollen." gibt sie zu bedenken. "Hier kann sich nicht jeder einfach selbst ausleben."

Ich blicke seitlich auf C. mit ihrer Ukulele, nicke freundlich und verspreche mich zu melden.





Donnerstag, 8. September 2016

Don't trust the girls - Wie der Feminismus sich selber frisst

Eine Demonstration.
Keinen Plan, aber "erstmal machen".

Heute Abend ist er wieder ein bisschen gestorben: mein Glaube, dass das mit dem Feminismus hierzulande noch etwas wird. Der Anlass war so bezeichnend, dass ich ihn hier beschreiben möchte.

Alles begann damit, dass Mode-PR Dame Melodie Michelberger ihre Social Media-Posts mit dem Hashtag #trustthegirls versah. Das fand sie irgendwie feministisch und daher gibt es jetzt ein Online-Magazin für Girls und natürlich auch ein paar Boys, zu dessen Launch ins Island in Hamburg geladen wurde. So weit so inhaltslos.

Der Launch war gleichzeitig eine Podiumsdiskussion, bei der darüber diskutiert werden sollte, ob Feminismus heute noch... naja und so.
Hochkarätig besetzt mit so unterschiedlichen Feministinnen wie Teresa Bücker und Kübra Gümüsay hoffte ich, mehr zu erfahren. Ich hätte es besser wissen müssen.

Als ich ankam, war bereits kein Platz mehr leer, auch vor dem Island standen viele Menschen, vor allem natürlich: Frauen. Und das an einem der raren lauen Hamburger Sommerabende. Die Erwartung war groß. Also jede einzelne Erwartung jeder einzelnen Frau, die da saß, stand und schwitzte.

Viel Lärm um gar nichts.
 
Wer nun wie ich erwartete, zu erfahren, was hinter dem Hashtag steht, wen er meint, wie genau diese neue Gemeinschaft aussehen soll, wurde enttäuscht.
In der ersten halben Stunde wurde ausschließlich darüber geredet, wie man das denn fände, wenn H&M T-Shirts mit feministischen Aufdrucken verkaufe. Wo doch die Arbeitsbedingungen bei denen so schlecht wären und die mit ihrer neoliberalen Haltung gar nicht hinter den feministischen Lösungsansätzen ständen. Wirklich, eine halbe Stunde. Alle auf dem Podium waren sich einig, alle im Publikum gelangweilt und ich fragte mich langsam, warum ich hier überhaupt saß.

Auf die direkte Frage, welche konkreten Lösungsansätze und Inhalte denn hinter dem Label #trustthegirls ständen, hatte Michelberger keine Antwort. Als sich in dem Moment auch noch ein Buchstabe aus dem Schriftzug über der Bühne löste, war die Blamage in meinen Augen perfekt. Doch es kam noch schlimmer.

Als Fragen aus dem Publikum zugelassen waren, wurde die allgemeine Ratlosigkeit auf dem Podium noch offenbarer. Das Auditorium, im weiten Spektrum von antikaptalistischer Studiengruppe bis trendy Fashionistas, war nicht happy. Wie auch.

"Warum denn kein Mann/ Sozialhilfeempfänger /Nicht-Akademiker eingeladen worden sei?"
"Ob sie nicht mal normal sprechen können, so dass man sie auch verstehen könne?"
"Warum denn immer nach Männern geschrien werde, die hätten ihre eigenen Podien?"
"Ob denn die Männer nicht auch vom Feminismus profitieren könnten, denn sie litten ja auch so unter dem Kapitalismus."
Die tapfere Frau Schunck.

Kompliment an die souveräne Anna Schunck, die diese eklatanten Widersprüche und den Wust von unterschiedlichen Ansprüchen mehr oder weniger elegant wegmoderierte.

Als am Ende eine Frau aus dem Publikum eine sentimentale "Wir sind doch alle Schwestern"-Hymne von sich gab (Hashtag Sisterhood), waren alle total gerührt und die Frau wurde von Frau Michelberger gebeten, das doch bitte aufzuschreiben. Die meinte jedoch nur, sie könne nicht schreiben.


Fazit: Bei so halbgaren Konzepten, die im Crémant-Rausch mit der Peergroup auf irgendwelchen Dächern entstehen, lieber noch mal die Frage nach den Inhalten stellen, die man doch bei anderen so schnell parat hat.
 
Learning: Frauen sind nicht alle Schwestern. Wir sind eher wie lauter Einzelkinder.


Samstag, 5. März 2016

Freundschaft unmöglich, zwischen uns beiden.

Bild:Flickr













Mein Verständnis ist alle.
Ich weiß nicht, wie es kam, aber plötzlich war es leer.
Vielleicht hat die über Jahre angestaute Wut es einfach aufgefressen.


Ich rede von Freundinnen, die nun Mütter sind.
Ich rede von Freundinnen, die sich so nennen, aber nichts dafür tun.
Auch mal was, das wehtut oder auch einfach nur unbequem ist.
Mir einmal die oberste Priorität einräumen, vor den Kindern, vor dem Mann, vor den Eltern.

Nur mir, der alten, übrig gebliebenen Freundin.
Das erwarte ich. Drunter mach ich's nicht mehr.


Dass man die in den ersten Jahren vergessen kann: gekauft.

Aber nach drei Jahren immernoch? Wenn sich zum ersten Kind das zweite gesellt hat oder auch nicht, ein neuer Mann, kein Mann, ein Job, gar kein Job - egal: Diese Freundinnen haben einfach nie mehr Zeit.

Und wir, die Übriggebliebenen, passen uns an.
Willigen in Telefon-Dates ein, in denen man sein eigenes Wort nicht mehr versteht, weil Eugenia und Torge mit dem Aufmerksamkeits-Shift nicht klarkommen und das durch lautes Schreien kundtun.

Nach einigen Versuchen, die Kinder friedlich zu stimmen, geben beide Seiten irgendwann entnervt auf. Ich habe ein schlechtes Gewissen und auch die Mütter scheinen bleibende Traumata zu befürchten.

Oder die Male, in denen man sein doch eher komplexes Gefühlsleben einer Mutterfreundin im Café erläutern will.
Nur unterbrochen von "Maaaamaaaa spielen"-Forderungen, auf die natürlich IMMER eingegangen wird.
Ich hab keine Lust mehr.

Was mich zu einem weiteren Problem bringt: als Übriggebliebene wird man immer "dazwischengeschoben". Zwischen Playdate und Wochenendeinkauf. Zwischen Gitarrenkurs und Pilates. Zwischen Feierabend und Candlelight-Dinner. So als sei man einen eigenen Termin nicht mehr wert.

Ein weiterer Tiefpunkt meiner Mutterfreundinnen-Erfahrungen war ein Kurztrip mit einer Studienfreundin inklusive zwei Kleinkindern nach Paris, während dem ich KEIN und ich betone KEIN einziges persönliches Wort mit meiner Freundin gewechselt habe.
Die legte sich jeden Abend um zwanzig Uhr mit ihren Kindern schlafen und ich konnte alleine um die Häuser ziehen. Dafür kenne ich nun alle Indoor-und Outdoor-Kinderbespaßungsmöglichkeiten der französischen Metropole. Würde ich das nochmal machen?
Non merci.

Oder das eine Mal, als ich bei einer Übermutter-Freundin zum Frühstück mit ihrer kleinen Tochter eingeladen war und die Dreijährige gefragt wurde, ob ich etwas Schoko-Aufstrich haben könnte. Als diese verneinte, hieß es: "Heute gibt es leider kein Nutella für dich."
Na danke.

Über kurz oder lang ist einfach jede Freundschaft, bei der Kinder ins Spiel kamen, entweder eingeschlafen oder zerbrochen.

Vielleicht ist das so. Vielleicht ist das der Lauf der Dinge.
Vielleicht sollten Mütter nur mit Müttern befreundet sein, Singles nur mit Singles und so weiter.

Ich habe jedenfalls keinen Bock mehr, in Kinder-Cafés und auf Spielplätze gehen zu müssen, nur um mal mit meinen Freundinnen reden zu können.
Vielleicht haben die ja wieder Zeit, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Dann bin ich aber schon längst weg.



Sonntag, 18. Oktober 2015

Künstlerin, böse - Eine Begegnung mit der Malerin Lydia Balke.

The artist hates to be present.
Zum allerersten Mal fiel mir Lydia Balke auf der Absolventenausstellung der HfbK in Hamburg auf, genauer genommen ihre Bilder. Diese Unterscheidung ist wichtig, wie wir später noch merken werden.

Frustriert vom langweiligen Einerlei, das man auf solchen Veranstaltungen antrifft, stolperte ich leicht angetrunken in eine dunkle Ecke und wurde plötzlich wach.
Da waren großformatige Bräute mit Schweineohren, ein ganzer Tryptichon voller Verderben, Angst und Schrecken. Davor Attrappen von verdorbenen Lebensmitteln.

"Bitte, bitte, sprich mich bloß nicht an."*

Nach einigem Zögern sprach ich die Künstlerin an und sagte, dass ich es schade fände, dass ihre großformatigen Bilder in einem so engen Gang hingen. Darauf meinte die mädchenhafte Absolventin mit den zerschnittenen Armen, das sei Absicht.
Ich bedankte mich bei ihr, nicht ohne zu sagen, dass ihre Sachen für mich aus dem Rest herausstachen. Den Namen Lydia Balke würde ich mir merken.




https://instagram.com/p/472DYHHMaC/
The shadow of Lydia. HfbK, Juli 2015
Nun entdeckte ich den Namen wieder. In einer Ankündigung des ortsansässigen Kunstvereins für "Malerei, böse", eine Ausstellung zeitgenössischer Malerei mit Lydia Balke als Headlinerin. Sofort registrierte ich mich bei Facebook für den Artist Talk mit allen Künstlern. Schließlich wollte ich mehr erfahren, über Lydia, ihre Kunst und ihre Abgründe.

"Jeder Pinselstrich tötet etwas."

Nach dem Morgenpost-Kunstjournalisten registrierte ich mich am Eingang als Fotografin und bekam einen dicken DIN A4-Umschlag ausgedruckter Pressemitteilungen ausgehändigt. So weit, so Kunstverein. Ich war jedenfalls froh, für die drei Bilder, die ich sehen wollte, nicht auch noch Eintritt zahlen zu müssen.

"Außer den Bildern bin ich nichts."*

Dann begann der "Arist Talk": ein paar "artsy" aussehende Leute, unter ihnen viele Studenten, Dozenten, selbst erklärte Kunstkenner und ich lauschten wie die Kuratorin ohne Mikrofon die Künstler befragte, während ein ARTE-Kamerateam um sie herumturnte.

Akustisch eher suboptimal, gab es mir aber Gelegenheit, Fräulein Balke zu beobachten, die als Letzte dran war. Geschmeidig und unmerkbar wie eine Katze, gesellte sie sich zu der Gruppe, hörte aufmerksam zu, hielt sich an einer Tasse fest, stahl sich wieder davon, begrüßte Freunde, setzte sich auf den Boden und war sichtlich nervös.


Artist Talk mit Lydia.
 Während ihr Mitaussteller am besten gar nicht mehr aufhören wollte, seine Bilder zu erklären, biss die Kuratorin bei Frau Balke auf Granit. Sie sei nur Malerin und wisse gar nicht, wie man auf 'Artist Talks' so zu talken habe. Das könne sie gar nicht. Überhaupt fände sie es überflüssig, überhaupt über Malerei zu reden. BÄM.

"Wäre ich keine Malerin, ich wäre Massenmörder."*

Auf das über ihr schwebende ARTE-Mikro reagiert sie mit den Worten: "Das irritiert mich gerade sehr." Doch die Kuratorin lässt nicht locker, fragt nach dem Bezug der Malerei zu Massenmördern, fragt nach Referenzen, Bildern, Kunstverein-Kategorien eben. Lydia antwortet schneidend klar auf jede Frage, mit einer Kompromisslosigkeit und Präzision, die in diesem Setting so fehl am Platze und gerade deshalb so wohltuend ist.

"Mein Manifest, meine Regeln."*

Sie mache von Kleinauf nichts anderes als das, was Andere am Ende Malerei nennen. Ebenso könne es auch "Banane" heißen. Es sei für sie nicht von Bedeutung. Das Produkt ist demnach abgetrennt vom Prozess. Wie sie dabei aussähe, wie es stinkt und wie schmutzig es sei, bekäme keiner mit.

Sie sei lieber Arbeiterin und keine Künstlerin - "besonders wenn ich sehe, wer sich noch so nennt".

Kuratorin Bettina Steinbrügge, verzweifelt.

Als ich später das Gespräch mit ihr suche, ist sie umringt von älteren Herren, die auch mal "Kunst studiert" haben und Fragen stellen, aber auch belehren wollen. Lydia Balke hört ganz ruhig zu, sie ist das gewöhnt. Mit kleinen spitzen Bemerkungen spielt sie jeden Ball zurück und trifft immer.

Als ich sie nach einem Interview frage, lehnt sie entschieden ab. Nein, sie müsse sich für so etwas nicht mehr zur Verfügung stellen. "Das habe ich am Anfang gemacht, weil alle behauptet haben, das gehöre dazu." Jetzt wolle sie einfach nur noch zurück ins Studio. Ich kann ihr nicht einmal böse sein.


Die Ausstellung "Malerei, böse" läuft noch bis zum 10.01.2016 im Kunstverein Hamburg.

Die Website der Künstlerin findet Ihr hier.

*Zitate aus dem Katalog der Künstlerin, den man nicht erwerben kann, der aber im Kunstverein ausliegt und in der Pressemappe teilweise als Kopie vorliegt.


Dienstag, 14. Juli 2015

Radio Love - Kurze Liebeserklärung an das Autorenradio*


Schon in frühester Jugend lernte ich die tröstende Wirkung von Autorenradio in Form von Jürgen Kuttners "Sprechfunk" kennen.
Klar, ich war in der Pubertät und fühlte mich ein bisschen orientierungslos, ein bisschen allein und ein bisschen überfordert.


Jürgen Kuttner oder der Mann,
der meine Pubertät erträglich machte.

Doch jeden Dienstagabend, wenn ich Kuttners Stimme über Gott und die Welt berlinern hörte, war diese gleich ein kleines bisschen besser. Irgendwann nahm ich jede Sendung auf Kassette auf und hörte sie immer wieder. Sie waren meine Zuflucht auf langen Urlaubsfahrten mit meinen Eltern, gaben mir Orientierung und ein Gefühl von Verbundenheit. Die Stimme im Radio war so, wie mein Leben sein sollte. Unkonventionell, locker und irgendwie frei. Ohne Kuttner hätte ich nie mit sechzehn P.J. Harvey und Les Reines Prochaines gehört, oder Gustav Mahler.

Radio tötet Einsamkeit, so einfach ist das.

Ich finde, es gibt fast nichts Intimeres als wenn einem jemand direkt ins Ohr spricht. Auch wenn dieser Jemand nicht neben einem sitzt, sondern die Stimme über Radiowellen übertragen wird. Dieser Fakt wird nicht nur von hysterisch-kreischenden Morning-Moderatoren ignoriert, sondern auch von uns.

Denn die Autoren sind dem Radio abhanden gekommen. An die Stelle von Persönlichkeiten sind Automaten getreten, die in immer schnellerer Rotation die immer gleichere Musik abspielen. Nur unterbrochen von Werbeblöcken.

Doch es gibt sie noch, die Inseln des guten Geschmacks, der ruhigen Stimmen, der Musik, die man noch nie gehört hat. Ich nenne sie mal Orchideensendungen, die man in den Tiefen des Internets oder manchmal auch im öffentlich-rechtlichen Bereich findet. Meistens spät nachts, in den dritten Programmen.

Wo Radiomacher sich ihrer Verbindung zum Hörer, ja ihrer Verantwortung bewusst sind. Und das ist auch gut so. Denn Radio hören macht weniger alleine.

*angelehnt an Autorenfilme im Gegensatz zu Blockbustern

Sonntag, 9. November 2014

When will the final wall fall?

Don't get me wrong, I don't want to spit in the soup of the ubiquitious "fall of the wall"-euphoria. Well, actually, I do.
Celebrating a peaceful revolution, especially these days, is all well and good. But shouldn't we all ask for more?



Many people say that they feel thankful, but thankful to whom and for what? Is our system today what the revolutionaries of '89 would have wanted and fought for? I don't think so. And I can't help but feel betrayed of an alternative vision that many people in East-Germany had for their future.

During the German re-unification the supremacy of the Western capitalist system was never questioned. As I think to the detriment of all of us. The reign of capitalism, the dogma of economic growth was thereby re-inforced and a window of political opportunity closed forever.

We didn't stand a chance. Our ideals that were not all false and failing were put to the trash. Our educational system overhauled. Our voices muted. People suddenly had to struggle to find a job to pay their bills.

Yes, we had won freedom. The freedom to obey the rules or not. But somebody else had made them for us. What began was the era of salesmen, impostors and petty-minds. People that knew how to sell things, or themselves.

I have never belonged to that tribe and I am proud of it. And oh, have I paid for this. By not getting jobs when I failed to present myself in a suitable way or even losing them when I was daring to speak up. I was not obeying the rules of the market and still today I feel a reluctance to do so.

I have always felt that this quest for ever more productivity and higher effectiveness is not an ideal every human being should pursue and even can adhere to. I ache for an alternative, but I still can't find it in today's world.

So when today twenty-year old Spanish hipsters celebrate that cool light installation in Berlin, I am all with them. Still I wonder: don't we all deserve an alternative?




Sonntag, 2. November 2014

How to be on Tinder, Pt.1: The picture

Tinder is a very visual platform. So the first picture counts. It decides whether the thumb slides left or right. I have clicked through various pics for a day and a night now. So I feel ready to give some advice to all of you guys, especially.



1. Don't post a picture of an expensive car, a motor bike or a yacht. This just shows how small your self-esteem is and makes the ladies wonder about the size of your private parts.


2. Don't pose with a baseball bat or any other kind of weapon. You might not be the beating husband type but let's not raise any doubts here.


3. Don't include any ex-girlfriends,children or even friends. Please note: If you blur their faces with Photoshop it gives an even eerier impression. (Especially if it's a wedding photo and you are the groom.)

4. Don't wear a wedding-ring. It might get important to show that you're ready for commitment at some point, but this is a little early.


5. Don't take off your shirt, pleeease! Even if you've been working on these abs real hard. Women will assume you're superficial and basically only there to fuck. If that's ok with you: go for it.

6. Actually POST a picture! Avatars don't win hearts. Also don't post pictures of celebrities or Pixar characters. Everybody will know you're not Jude Law.

7. Try to be as accurate as possible when it comes to your age. Nobody will believe you're still in your thirties just because you hide your receding hairline under a cool cap.

8. I know it's tempting, because they're cute and cuddly and you can show your softer side, BUT: no dog pictures. It's too obvious and you always lose against a pup. (Btw: cats are out of the question)

9. No pictures where the background is more impressive than your face. So no Empire State/Spanish stairs/Eiffel tower-selfies. You can keep these for your private photo-show.

10. And finally no crazy, funny or sad faces. Come on, being on Tinder is weird enough, nobody wants to date a freak. Just smile like you mean it.
 


That's basically it. Thanks guys.