Donnerstag, 11. April 2013

"Der Schaum der Tage" oder Reasons to go to Paris No.2

»... die Beweiskraft der folgenden Seiten beruht auf der Tatsache, daß die Geschichte vollkommen wahr ist, weil ich sie von Anfang bis Ende erfunden habe.«
Boris Vian "Der Schaum der Tage", Vorwort 

Am 24. April startet in französischen und belgischen Kinos der neue Gondry, "Der Schaum der Tage" (L'écume des jours), eine Adaption des surrealen Romans von Boris Vian.
Gelegenheit, ein Auge auf die Gemeinsamkeiten von Autor und Regisseur zu werfen. Beide besitzen die Fähigkeit, im Alltag absurde Universen zu kreieren.

Zunächst zu Vian: Der Sohn aus besserer Gesellschaft versuchte sich in mehreren Genres: als Jazz-Trompeter, Schauspieler, Poet und eben als Romancier. Er war Zeitgenosse von Persönlichkeiten wie Jean-Paul Sartre (der ihm die Frau wegnahm) und Duke Ellington (dem er zu Gigs in Paris verhalf). Zu Lebzeiten angefeindet und als Spinner belächelt, wurde sein Werk "Der Schaum der Tage" (1947, Gallimard) erst in den 68ern und somit nach seinem frühen Tod 1959 zum Kultbuch.

Boris Vian
Verstört von der Erfahrung des Krieges und jeglicher Glaubenssysteme beraubt, schrieb Vian 1946 die tragisch-absurde Liebesgeschichte zwischen Colin und Chloe. Das Buch ist voller surrealer Elemente, neuer Wortschöpfungen und Anspielungen. So karikiert er beispielsweise den Existenzialisten Jean-Paul Sartre, indem er aus ihm den existenzialistischen Demagogen Jean-Sol Partre macht. Vian beschreibt die Dinge nicht so wie sie sind, sondern wie er sie gern hätte. Er erfindet er eine Welt, in der Träume Realität sind.



Die Grenze zwischen Traum und Realität überschreitet auch Vians Landsmann Michel Gondry in seinen Spielfilmen sehr gern. Zu beobachten ist das beispielsweise in seiner selbstgedrehten Video-Biographie mit dem programmatischen Titel "I've been twelve forever". In Gondrys Leben sind die Träume seiner Kindheit so präsent, als wären sie gerade erst passiert. Sie sind die Inspiration für seine Musikvideos und auch seine Filme. Hatte Gondry als Jugendlicher Albträume, dass seine Hände zu groß seien, so findet sich Gael Garcia Bernal in "The Science of Sleep" mit überdimensionierten Papp-Händen wieder.

The Science of Sleep, Michel Gondry (2006)

Auch im "Schaum der Tage" kann er diese Ader wieder voll ausleben.
Wenn die Romanorlage schon eine Protagonistin bietet, in deren Lunge eine Seerose wächst, dürfen wir gespannt sein, was Gondry daraus gemacht hat. Der Trailer zumindest ist vielversprechend.



Gondry greift den Jazz auf, den Vian so liebte: Duke Ellington darf im Soundtrack daher natürlich nicht fehlen. Die Frischvermählten schweben schwerelos vom Altar zu ihrer komplett verglasten Hochzeitskutsche. Nicht nur die Gesetze der Schwerkraft sind außer Kraft gesetzt. Auch die von Raum und Zeit scheinen bunt durcheinander gewürfelt zu sein. Die von Vian geschaffene Welt bietet die perfekte Spielwiese für einen Träumer wie Gondry.

Leider müssen wir in Deutschland bis zum 4.August auf den Kinostart warten... oder gleich nach Paris fahren.

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