Dienstag, 26. November 2013

Zeitlos // gut: Woody Allens "Interiors" / "Innenleben" (1978)

 
Drei ungleiche Schwestern auf der Suche nach dem richtigen Leben.

Mittdreißiger, die in Therapien ihre Kindheit aufarbeiten, junge Kreative, die vor lauter Selbstbezogenheit weder zu sich selbst noch zu Anderen finden und sich in Äußerlichkeiten flüchten.
Was heutzutage in jeder westlichen Großstadt spielen könnte, drehte Woody Allen bereits 1978 in New York. Ein echter Schatz des Autorenkinos, den es sich wiederzuentdecken lohnt.

Im Mittelpunkt stehen drei Schwestern, die jede auf andere Art mit einer psychisch-kranken Mutter,  ihrem Leben und Krisen umgeht.
Diane Keaton ist Renata, eine erfolgreiche Schriftstellerin in der Schaffenskrise. Wenn sie nicht versucht zu schreiben, streitet sie mit ihrem Mann oder sitzt beim Therapeuten.

Joey, gespielt von Mary Beth Hurt, galt einst als Wunderkind mit dem größten Potenzial. Heute gibt sie jeden Job nach kurzer Zeit auf und scheint trotz ihrer vielen Talente nichts zu finden, das sie auf Dauer machen möchte. 

Die Fragen, die sie sich in dieser Szene stellt, sind so wunderbar und schrecklich zeitlos zugleich.



Als der Vater die nervlich zerrüttete Mutter am Essentisch in Anwesenheit der erwachsenen Töchter verlässt, beginnt die Fassade der gutbürgerlichen, intellektuellen Ostküstenfamilie zu bröckeln.
Die Mutter findet derweil ihre Berufung in der Inneneinrichtung der Wohnung ihrer Tochter.


Allen thematisiert mit "Interiors" exemplarisch die Gefühlslage von Mittdreißigern: Schuldgefühle gegenüber älter werdenden Eltern und die ständige Frage, ob das jetzige Leben das richtige sei.
Hinter allem lauert ein Riesen-Anspruch, an den richtigen Partner, den richtigen Wein, das richtige Gespräch. Die Form wird wichtiger als der Inhalt. Ästhetik schlägt Liebe und der gute Geschmack erstickt das wahre Leben.

Diese auf Unsicherheit und Neurosen aufgebaute Welt gerät ins Wanken als der Vater eine neue Frau heiratet: laut, pragmatisch und lebensfroh. "Sie ist vulgär" lautet der schlimmste Vorwurf, den ihm seine Tochter machen kann. Besonders Joey gerät durch die neue Frau in einen Zwiespalt: einerseits liebt sie ihre zwanghafte Mutter und andererseits macht sie diese Liebe lebensunfähig.
Es kommt zu einem dramatischen Finale, in dem ihr 'neues Leben eingehaucht' wird. 
Am Ende muss das Künstliche, Manierierte sterben, um Platz zu machen, für das Leben. 

"Interiors" ist Allens unironischster Film und gerade deswegen sehr sehenswert.


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